IG-Edelkastanie Interessensgemeinschaft Edelkastanie
Hintergrund

Kulturgeschichte

Wichtige Quellen für die Kulturgeschichte der Edelkastanie sind die vielzitierte Landgüterverordnung Karls des Großen (795 n. Chr.), der Klosterplan von St. Gallen (Anfang 9. Jh.) sowie die Physika der Heiligen Hildegard von Bingen (12. Jh.).

In alten Kräuterbüchern, z. B. Hieronymus Bock, 1577 und D. Petri Andreae Matthioli, 1626, wird sie ausfährlich beschrieben.

Die Vorkommen bei Heidelberg am Neckar (Handschuhsheim) sind durch die Cosmographia des Sebastian Münster überliefert. In einer Stadtansicht von Heidelberg um 1553 wird die Edelkastanie eigens durch den Schriftzug Castaneae bzw. Kestenbaüm erwähnt, wo sonst nur wenige Wörter vermerkt sind (Blatt 1039-1041). Dem Blatt 845 der Cosmographia ist zu entnehmen, daß die Edelkastanie im 16. Jh. mit Schiffen über den Rhein in die "Niderlandt" und bis nach "Engellandt"
verkauft wurde. Das Blatt ist am linken Rand verziert durch einen Edelkastanienzweig mit Fruchtigeln und herausfallenden Maronen.

 


Sprache
Im Sprachgebrauch (Kastanien aus dem Feuer holen), in Flur- und Weinlagennamen ist die Edelkastanie präsent.

 


Literatur
Aufschlußreiche Quellen sind auch die "Kastanienbriefe" von Mutter Goethe an ihren berühmten Sohn Johann Wolfgang von Goethe (Anf. 19. Jh.).

Hermann Hesse hat sich ebenfalls der Edelkastanie literarisch angenommen, und Johann Wolfgang von Goethe hat nicht nur den Ginkgobaum literarisch berühmt gemacht, sondern auch der Edelkastanie ein Gedicht im Buch Suleika (West-ötlicher Divan) gewidmet:

An vollen Büschelzweigen,
Geliebte, sieh' nur hin!
Laß dir die Früchte zeigen
Umschalet stachlig grün.

Sie hängen längst geballet,
Still, unbekannt mit sich,
Ein Ast, der schaukelnd wallet
Wiegt sie geduldiglich.

Doch immer reift von Innen
Und schwillt der braune Kern,
Er möchte Luft gewinnen
Und säh die Sonne gern.

Die Schale platzt und nieder
Macht er sich freudig los;
So fallen meine Lieder
Gehäuft in deinen Schoß.

Johann Wolfgang von Goethe

 


Kunst
Künstlerische Darstellungen des Blattes finden sich auf mittelalterlichen Bodenfliesen aus dem 13./14. Jh. (gefunden auf den Burgen Königstein und
Kronberg, Vordertaunus).

In Kronberg ist das Kastanienlaub im Fachwerkornament des "Spitals" (1611) auf den Eckpfosten in Verbindung mit der Weinrebe und den Wappen der Kronberger Ritter abgebildet. Am Erker des Fachwerkhauses "Drei Ritter" in Kronberg (16. Jh.) finden sich neben pomologischen Darstellungen (Äpfel, Birnen) auch sich öffnende Fruchtigel der Edelkastanie von Kastanienlaub umgeben.

Vertretern der Kronberger Malerkolonie (ab Mitte des 19. Jh.) diente die Edelkastanie als beliebtes Motiv. Auch der deutsche Impressionist Max Slevogt hat sie als Teil pfälzischer Landschaften verewigt. Die zeitgenössische Kunst nimmt sich ihrer ebenfalls an.

In den Jahren 1947-49 führte die Gemeinde Schönberg ein Edelkastanienblatt in ihrem Wappen; heute noch ist sie, als Baum abgebildet, Bestandteil des Wappens der Gemeinde Dörrenbach an der Grenze zum Elsaß (Heraldik), die von Esskastanienwald umgeben ist.

Eine Fülle historischer Postkarten mit Abbildungen von Naturdenkmalen, Waldbildern und Hainen der Edelkastanie etc. liegen insbesondere in Kronberg, Oberursel (Vordertaunus) sowie Dannenfels am Donnersberg vor (ab Ende des 19. Jh. hrsg.)

 


Gartenkunst
Die gartenkünstlerische Verwendung der Edelkastanie hat eine lange Tradition. Sie ist in Landschaftsgärten ein häufig gepflanzter Solitärbaum, findet sich als Kastanienwäldchen, Kastanienhain und in "Plantagen" in Gärten und Parkanlagen in allen Bundesländern. Ihre Verwendung als Alleebaum ist besonders in Nordrheinwestfalen (Niederrhein, Bünninghardt) häufig. Dort gibt es über 200 jährige Alleen, z.B. am Schloß Dyck. Im niederrheinischen Tiefland ist sie auch als Hausbaum sehr oft anzutreffen.

Edelkastanie
Edelkastanie-Fruchtigel im Fachwerkornament